In Meißen über Porzellan zu sprechen, ist stets ein dankbares Unterfangen.
Dankbar ist es vor allem dann, wenn man sich wirklich über Porzellan und seine Kunst und seine Künstler auslassen darf.
Nicht mehr zu überbieten ist es, wenn dies an dem Ort passieren kann, wo Europas Porzellankunst ihren Anfang nahm: auf der Albrechtsburg. Nun möchte ich Sie nicht mit den sonst üblichen und erwartbaren, dadurch furchtbar langweiligen Auslassungen zur Porzellangeschichte Meißens behelligen. Es ist hingegen ein wunderbarer Umstand, dass mit der Künstlergruppe „Weißer Elefant“ Porzellankunst an den Ort zurückkehrt, wo vor rund 300 Jahren Johann Friedrich Böttger und seine Mitarbeiter mit dem neuen Werkstoff experimentierten.
Für Böttger war das Porzellan ein alchimistisches Faszinosum, das er zu ergründen dachte. Nur unter größten Anstrengungen gelangen ihm fehlerfreie Stücke in den „Glückstöpfe“ genannten Öfen. Von Anstrengungen können die Künstlerinnen und Künstler, unsere „Weißen Elefanten“, auch ihre Lieder singen, es sind aber andere. Sie handeln vor allem von den künstlerischen Herausforderungen, Mühen und Erfolgen mit diesem kapriziösen Material.
Den fünf Frauen und Männern ist das Porzellan zur zweiten Natur geworden in den langen Jahren ihrer Auseinandersetzung mit ihm. Ihr Rüstzeug erwarben Silvia Klöde, Sabine Wachs, Andreas Ehret und Olaf Fieber während ihrer Tätigkeit in der allgemein bekannten Manufaktur. Nachdem ihre Talente und Kreativität als nicht mehr notwendig und verzichtbar betrachtet worden waren, wagten sie den mutigen Sprung in die Selbständigkeit. Nach einer Zeit des Sich-zurecht-Findens schlossen sie sich vor drei Jahren zusammen und gaben sich als Gruppe den Namen „Weißer Elefant“.
Noch im ersten Jahr ihres Bestehens, es war im Frühjahr 2012, gelang den “Weißen Elefanten“ ein Ausstellungscoup, indem sie ein ruinöses Haus in der Görnischen Gasse in eine temporäre Galerie verwandelten. Jeder, der am Eröffnungsabend dabei war, wird sich noch an den Andrang der Gäste erinnern, die bis auf die Gasse hinaus standen. Über Monate hinweg fanden zahlreiche Interessierte den Weg dorthin und bewiesen damit, dass zeitgenössische Porzellankunst relevant ist. Daran konnte im vergangenen Jahr angeknüpft werden. Jedoch brachte der vergangene Herbst das Ende der Görnischen Gasse, Hausnummer 4 als Quartier, denn Sanierung und neue Nutzung der Immobilie standen an.
Der „Weiße Elefant“ schaute weiter, die Künstlerinnen und Künstler hatten bewiesen, wie mit Engagement einer vergessenen Ecke der Stadt neues Leben eingehaucht werden kann. Optimistisch richtete sich der Blick nach oben, zur Albrechtsburg. Deren Torhaus, früher Museum, stand leer und wartete auf eine neue Bestimmung. Eine sehr glückliche Fügung ermöglichte es, dass der „Weiße Elefant“ dort einziehen konnte. Personell gab es eine Änderung, da die Porzellanmalerin Gudrun Gaube die Gruppe verließ. Tina Hopperdietzel stieß daraufhin zu den „Weißen Elefanten“, sie hat ebenfalls die anspruchsvolle Schule der Manufaktur durchlaufen.
Die Gruppe wird im Torhaus nun ihr festes Ausstellungsdomizil haben. Um dem ganzen Unterfangen einen sicheren Rahmen zu geben, wurde im Dezember der Verein zur Förderung zeitgenössischer Porzellankunst als eingetragener Verein gegründet. Dessen Anliegen ist es, Porzellan als künstlerisches Material der Gegenwart zu fokussieren. Neben der Organisation von Ausstellungen und anderen Veranstaltungen soll eine der Öffentlichkeit zugängliche Sammlung zeitgenössischer Porzellankunst aufgebaut werden. Der Betrieb des Torhauses sowie die weiteren Aktionen werden durch die Mitgliedsbeiträge und Spenden finanziert – Sie dürfen sich aufgefordert fühlen!
Wenn Sie nun gleich die erste Ausstellung des „Weißen Elefanten“ im Torhaus betreten, werden Sie umfangen sein von facettenreicher Porzellankunst. Ob nun Tina Hopperdietzels Vogelmalereien, Andreas Ehrets kristallin gesplitterte Figuren, Silvia Klödes einfühlsame Frauenplastiken, Olaf Fiebers hintergründiger (oder wie wir in Bayern sagen: hinterfotziger) Humor oder Sabine Wachs Talent zum großen Wurf – die fünf so unterschiedlichen Temperamente klingen sehr wohl zusammen. Sie drücken sich nicht nur selbstsicher, ja ganz selbstverständlich in Porzellan aus, ihnen gelingt es, diesem Material immer wieder neue Aspekte des künstlerischen Ausdrucks hinzuzufügen. So mag es in den Ateliers und auch im Torhaus selber zugehen wie in einem Laboratorium, in dem unentwegt ausprobiert, verworfen, neu begonnen und vollendet wird. Dort wird nicht neues Porzellan in alte Formen gegossen!
Dies geschieht nun alles nicht haargenau an der Stelle der historischen Manufaktur, die sich vis-à-vis des Torhauses im Schlossgebäude befand. Das ist auch gut so, denn der „Weiße Elefant“ ist kein neuer Manufakturbetrieb, sondern es sind individuelle Künstlerinnen und Künstler. Der Blick auf die Tradition ist daher ein loses, aber stabiles Band. Sie fußen auf der vor 300 Jahren geschaffenen Basis, bleiben jedoch nicht in ihr verharrt. Darum kann für die Gruppe kein Ort geeigneter, symbolisch passender sein als das Torhaus: An einem Tor herrscht Bewegung, es geht hinein und hinaus, Temperamente, Menschen und Ideen begegnen sich. Das geöffnete Tor steht für Toleranz und Miteinander, heißt Austausch und Menschlichkeit. Das sprichwörtlich „offene Tor“ ist die Einladung zum Eintritt und empfängt mit Herzlichkeit. Euch, liebe Künstlerfreunde, wünsche ich, dass nun viele Neugierige und Begeisterte diese Einladung annehmen. Und für die Stadt Meißen schafft Ihr hoffentlich einen Impuls, sich mit neuer Begeisterung dem Porzellan und der Kunst als lebendige, zukunftswache Aspekte der Stadtkultur zuzuwenden.
Dr. des. Christian Lechelt